über Biber
Biber bevölkern und prägen seit 15 Millionen Jahren unsere Landschaften. Nachdem sie Mitte des 19. Jahrhunderts in Österreich ausgerottet wurden, wurden Ende der 1970er Jahre im Nationalpark Donauauen und am Inn wieder einige Tiere angesiedelt – ebenso wie in einer Vielzahl an anderen Ländern, deren Populationen seitdem ihre ursprüngliches Verbreitungsgebiet wiederbesiedeln. In Linz fanden sich Ende der 90er Jahre wieder erste Biberspuren und von der Donau ausgehend wurden inzwischen auch die meisten kleineren Gewässer im Mühlviertel wieder besiedelt. Biber sind enorm anpassungsfähig und nutzen auch urbane Räume – so finden sich auch in Linz ein Vielzahl an Revieren in verschiedensten Lebensräumen, von beengten urbanen Bächen über die Au bis zur Donau. Dort bewohnt eine Familie der reviertreuen, monogamen und höchst sozialen Tiere ein mehr als 4 Kilometer langes Revier – die gesamte Innenstadt. In Biberburgen oder Höhlen (immer mit Unterwasser-Eingang) leben drei Generationen zusammen, nicht nur die Eltern kümmern sich um die durchschnittlich 2-3 Jungen im Jahr, sondern auch deren ältere Geschwister. Nach 2-3 Jahren wandern Jungbiber ab auf der Suche nach einem eigenen Revier – wird der begrenzte (von Wasser abhängige) Lebensraum knapp, bekommen sie dank hormoneller Anpassungen weniger Junge. Die zweitgrößten Nagetiere der Erde sind perfekt auf ihr semiaquatisches Leben in und am Wasser angepasst und vor allem für ihre Bautätigkeit und das Fällen von Bäumen bekannt. Letzteres tun sie allerdings primär im Herbst und Winter, um die nährstoffreiche Schicht unter der Rinde (das Kambium) zu essen und den Rest als Baumaterial zu verwenden – im Sommer ernähren sich die Vegetarier vor allem von Gräsern, Kräutern oder Früchten. Im Notfall können sie mehr als 15 Minuten tauchen und ein 6 Monate altes Junges überquert die Donau in fast 3 Minuten ohne weit abzudriften – an Land allerdings sind sie alles andere als flink und wagen sich selten mehr als 10-20 Meter aus dem Wasser. 




Kleinere, zu seichte Gewässer stauen Biber gerne auf und bauen oft unscheinbare, aber auch beeindruckend große Dämme, um den Wasserstand zu regulieren (um die Eingänge ihrer Behausung unter Wasser zu halten und schwimmend oder tauchend ihre Plätze des täglichen Lebens zu erreichen). Diese sorgen nicht nur für enormen Wasserrückhalt und helfen so gegen Dürre, schaffen Retentionsraum und dämpfen Hochwasserwellen ab, sondern halten auch Schadstoffe zurück oder können Gewässer kühlen – auch schaffen die Bautätigkeiten von Bibern (neben Burgen & Dämmen auch Kanäle) Unmengen an Lebensraum für andere, oft seltene Arten: Insekten, Fische, Amphibien, Reptilien, Säugetiere profitieren von den kleinstrukturierten Oasen. Und von Bibern bevorzugte Bäume wie Zitterpappeln leben regelrecht in Symbiose mit den tierischen Baumeistern. Auch in urbanen Nischen wie dem Urfahraner Diesenleitenbach sind ihre enormen Auswirkungen auf Biodiversität ersichtlich: Viele Fische, Enten, Blauflügel-Prachtlibellen, Gelbspötter, Eisvögel und seltene Würfelnattern tummeln sich zwischen Autobahn und Plesching. Nach langer Zeit der Begradigung und Verbauung von Flüssen und Überschwemmungszonen können Biber enorme Leistungen bei der Renaturierung von Gewässern vollbringen und werden hierfür in einigen Ländern seit einiger Zeit umfassend erforscht und ihre erstaunlichen Fähigkeiten genutzt oder auch imitiert (z.B.: in Form von Beaver Dam Analogs). So singen im schon länger von Dürren geplagten Westen der USA gar viele Farmer Loblieder auf die tierischen Wasserbau-Experten – wie schon lange zuvor die indigene Bevölkerung mancherorts Biber sogar mit prominenten Rollen in Schöpfungsmythen versah.




Nachdem Biber in Österreich über hundert Jahre lang ausgerottet waren, fehlt Menschen seit Generationen jeglicher Bezug zu den Tieren, vielerorts werden Biberdämme illegal zerstört (oft auch extrem kontraproduktiv: Die Tiere brauchen nur umso mehr Baumaterial) und zu oft auch illegal getötet. Auch ästhetische Gesichtspunkte und allumfassender menschlicher Machtanspruch über die Natur spielen oft eine Rolle, während intakte Ökosysteme, von deren Funktionieren wir in vielerlei Weise abhängen, für Menschen im urbanen Raum oder in großflächig von Menschen veränderten und kontrollierten Kulturlandschaften heutzutage oft chaotisch wirken. Totholz beispielsweise ist jedoch ein wichtiger Lebensraum für viele Organismen Konflikte können oft mit einfachen Mitteln (wie dem Eindrahten von Bäumen) behoben werden und Koexistenz ermöglichen. Wenn – entgegen der Vielzahl an kursierenden Mythen und Falschinformationen – Wissen breitflächig vermittelt und Akzeptanz für unsere tierischen Nachbarn gefördert wird (wie auch gröbere wirtschaftliche Schäden abgegolten werden müssen), können längerfristig gute Kompromisse oder gar Kooperationen mit dieser Schlüsselspezies und vielen anderen Wildtieren in unserer Umgebung entstehen. Angesichts der sich rapide verschärfenden Klimakrise, dem Artensterben und immer mehr Extremwetterereignissen ist es allerorts vonnöten, funktionierenden Ökosystemen und insbesondere Gewässern und ihren Bewohner*innen wieder mehr Raum zu geben, sowie Wildtiere in Architektur und Landschaftsgestaltung miteinzubeziehen – insbesondere auch im städtischen Raum und in Kulturlandschaften werden davon Tiere wie Menschen langfristig profitieren. Ebenso wie auch intakte Ökosysteme, Begegnungen oder auch persönliche Beziehungen zu Wildtieren in Naherholungsgebieten bereichernd für Menschen sind und seit den ersten Höhlenmalereien Nährboden für vielfältige künstlerische Auseinandersetzungen bilden.

– Sollten Tiere deswegen besser in ihrer Fremdheit belassen werden, weil für Tiere zu sprechen eine weitere, paternalistische Form, den menschlichen Exzeptionalismus bestätigen, ist? Oder birgt Storytelling für, mit und von Tieren Auswege aus einer anthropozentrischen Weltsicht, die sowohl für Menschen als auch für Tiere wertvoll und wichtig sein können? Gerade das Erzählen von Tieren und ihren individuellen Geschichten wird oft als Voraussetzung für das Verständnis und eine daraus resultierende Empathie betrachtet.

(Jessica Ullrich & Alexandra Böhm, Editorial, Tierstudien 15/2019)






– Teilhabe heißt auch Teilgabe, wir werden also etwas aufgeben müssen, zB. die Idee einer restlos kontrollierbaren und managebaren Umwelt. Alle Lebensformen, die den Plaeten bewohnen, beeinflussen einander auf komplexe Weise, die weder ganz verstanden noch kontrollierbar ist. Dies bedeutet auch, „unabsichtliche Landschaften” als Begegnungen mit Natur willkommen zu heißen, Landschaften, die nicht absichtsvoll geschaffen wurden. Solche Breschen der Unordnung sind Lebensräume für unerwartete Formen der Sozialität.

(Fahim Amir, Ein Manifest für Solidarität von Tieren und Menschen im Stadtraum, Tierstudien 22/2022)




– Wir übernutzen die Ressourcen unserer Welt, das ist sattsam bekannt. Wenn wir weiterleben wollen, müssen wir anders leben. Aber wie können wir anders leben? Was braucht es dazu? Sicher vieles, aber auch dies: Wir müssen uns als Teil der Welt und ihrer Natur begreifen, nicht als ihr Gegenüber. Wir müssen unsere Verwandtschaft mit anderer Natur verstehen und mitdenken, dass wir auf sie angewiesen sind. Wir müssen von anderen Tieren lernen. Wir müssen anfangen, andere Geschichten zu erzählen. 

(Susanne Opfermann, Berührungen / Einleitung, Begegnungen mit (andern) Tieren, 2022)






– And who ist the first back after a fire to start the regeneration? Amikwag.
(Amik means beaver in the Algonquin language.)

Amik is a world builder.
Amik is the one that brings the water.
Amik is the one that brings forth more life.
Amik is the one that works continuously with water and land and animal and plant nations and consent and diplomacy to create worlds, to create sharedworlds. 


(Leanne Betasamosake Simpson, A Short History of the Blockade, Giant Beavers, Diplomacy and Regeneration in Nishnaabewin, 2021)






– Manchmal hockte ich vor dem Ofen auf dem Boden, und dann kam dieses gute Tier heran, legte den Kopf in meinen Schoß, sah mir ins Gesicht und stieß langgezogene, in wechselnder Tonlage gehaltene Laute aus, die man fast für bizarre Singversuche halten konnte … Die abendliche Singstunde wurde bald zur Gewohnheit und die nicht unmelodischen Töne zählen zu den seltsamsten Tierlauten, die mir im Leben vorgekommen sind. 

(Grey Owl, Pilgrims of the wild, 1937)