Biber beobachten
Fotos von Leopold Kanzler
Biber sind monogam und bleiben meist ein Leben lang zusammen. Im Gegensatz zu vielen anderen Nagetieren bekommen sie wenige Junge (meist 2-3), die sie sehr lange (2-3 Jahre) aufziehen. Die Babys werden nach 105–109 Tagen Tragzeit meist zwischen April und Juni geboren und bleiben die ersten Wochen noch in der Biberburg – vor allem das Tauchen muss noch erlernt werden, bevor sie (anfangs noch in Obhut der anderen) ihre Umgebung – das Revier der Familie – erkunden können. Nicht nur beide Elternteile, auch die älteren Geschwister kümmern sich um die Kleinen – Biber sind also höchst soziale, sesshaft lebende Familientiere. Es wird gemeinsam gespielt, gelernt, gearbeitet, gerastet, kommuniziert und das Fell gepflegt. Mit ca. 2 Jahren ziehen die jungen Erwachsenen dann meist aus und begeben sich auf die Suche nach einer Partner*in und einem eigenen Revier – manchmal direkt an das der Eltern angrenzend, manchmal aber auch durchaus sehr weit weg. Seit 15 Millionen Jahren bewohnen die anpassungsfähigen, uns Menschen in ihrer Lebensweise (sozial, sesshaft und eigene Infrastruktur schaffend) nicht unähnlichen Säugetiere die nördliche Hemisphäre und prägten bis vor wenigen hundert Jahren fast alle Arten von Gewässern. Biber sind nach den Capybaras die zweitgrößten Nagetiere der Erde und können um die 30 kg schwer und mehr als einen Meter groß werden. Mit Nase, Augen und Ohren auf einer Linie über der Wasseroberfläche, einem extrem dichten Fell, ihrem breiten, als Ruder dienenden Schwanz (die Biberkelle) oder großen, mit Schwimmhäuten versehenen Hinterfüßen sind sie perfekt an das Leben im Wasser angepasst. Und mit ihren großen, stetig nachwachsenden Schneidezähnen (mit eingelagertem Eisen) und kleinen Vorderpfoten mit feingliedrigen Fingern perfekt an ihre Tätigkeiten als Holzfäller und Baumeister. Biber sind großteils nachtaktiv, dies dürfte allerdings zu nicht unerheblichen Teilen eine Anpassung an Menschen darstellen. Sie sehen nicht sonderlich gut, setzen aber auch vor allem auf ihr gutes Gehör und ihren sehr ausgeprägten Geruchssinn: Sie markieren ihre Reviere mit einem eigenen Geruchsstoff (dem Castoreum) oder erkennen so auch entfernte Verwandte und es wurde zum Beispiel dokumentiert, dass ein Jungbiber auf Reviersuche noch einige Zeit bei seinen Großeltern wohnte – die er zuvor allerdings noch nie traf.
Trittsiegel und Markhügel
Biber sind territorial – sie bewohnen mit ihrer Familie einen Gewässerabschnitt, in dem sie keine anderen Biber dulden. Ausnahmen bilden hier oft Verwandte oder junge Erwachsene auf der Durchreise. Reviergrößen können erheblich variieren: Ist der Lebensraum attraktiv, kann ein Revier nur wenige hundert Meter umfassen – das größte dokumentierte Biberrevier ist aber um die 20 Kilometer lang. An der Donau sind die Reviere durchaus auch groß: Das Revier der Linzer Innenstadt-Biber umfasst mehr als 4 Kilometer auf beiden Seiten der Donau.
Ausstiege, Wechsel und Kanäle
Biber nutzen oft die gleichen Wege und Ausstiege aus dem Wasser – sogenannte Biberrutschen. Werden diese für sehr lange Zeit genutzt oder aktiv erweitert, entstehen auch Kanäle. So vergrößern Biber auch die nutzbare Fläche in ihrem Revier – ungern wagen sie sich sonderlich weit aus dem Wasser.
Biberburgen & Höhlen – am letzten Bild kurioserweise gegen einen Zaun gebaut.
Biber sind zwar perfekt an das Leben im Wasser angepasst, ihre Wohnräume wollen sie aber sicher, trocken und gut ausgepolstert wissen – deswegen bauen sie Biberburgen oder graben Höhlen. Zum Schutz vor Feinden liegen die Eingänge unter Wasser und manch Höhle wird erst sichtbar, wenn ein Teil des Daches einbricht. In Folge decken Biber die Löcher gern mit Schlamm und Gehölz ab. Wenn das Ufer zB zu flach ist, bauen Biber ihre Behausungen zur Gänze aus Holz und Lehm (die klassische Biberburg). Regelmäßig repariert und ausgebaut, können so nach einiger Zeit große, extrem stabile Gebilde entstehen, die vielen Bibergenerationen eine Heimat bieten.Trotzdem bitte nie auf Biberburgen steigen und sich am Ufer von Gewässern immer vorsichtig fortbewegen (auch viele andere Tiere graben Höhlen). Nicht selten werden Biberbauten auch von anderen Tieren (nach)genutzt und Biber erlauben manchmal Bisamen zB direkt mit ihnen in ihren Wohnkammern zu leben. Ebenso legen Biber meist mehrere Fluchtröhren in ihrem Revier an – so sorgen sie auch für Notfälle vor und graben zB Hochwasserschutzräume weit über dem normalen Wasserspiegel.
Ein bei Niedrigwasser sichtbarer Röhreneingang und das Innere einer (gerade nicht genutzten) Burg.
Sehr alte Fällung und ein frisch zerlegter und feinsäuberlich abgenagter Baum.
Diese kleine Gruppe Pappeln wurde im Frühling gefällt, im September waren die Bäume wieder bis zu 3 Meter nachgewachsen.
Entgegen der weit verbreiteten Meinung, Biber seien Schädlinge für Bäume, wurde in einer Vielzahl an Studien belegt, dass Biber auch bei Pflanzen für mehr Biodiversität sorgen können – auch haben sich die von ihnen bevorzugten Weiden und Pappeln entlang von Gewässern während 15 Millionen Jahren gemeinsamer Evolution perfekt angepasst, die von Bibern gefällten Bäume treiben fast immer wieder aus oder werden sogar großflächig in Form von Stecklingen vermehrt. Im Sommer ernähren sich Biber hauptsächlich von Gräsern, Kräutern oder Früchten – größere Bäume werden primär im Herbst und Winter gefällt, die nährstoffreiche Schicht unter der Rinde (das Kambium) verspeist und der Rest als Baumaterial verwendet. Bäume können recht einfach eingedrahtet werden (Biber können nicht klettern) und bereits gefällte Bäume sollten möglichst an Ort und Stelle belassen werden – nicht nur wenden sich die Tiere logischerweise sonst dem nächsten Baum zu, sondern Totholz ist auch äußerst wichtiger und hierzulande rarer Lebensraum für unzählige Organismen.
Hier wurde letztes Jahr wohl Mais angepflanzt, der Ausstieg / Tunnel endet 10 Meter weiter unten in einem Seitenarm der Donau.
Größere und kleinere Biberdämme im Mühlviertel und in Linz
Um zu seichte oder kleine Gewässer besiedeln zu können und den Wasserstand zu regulieren, bauen Biber oft Dämme. Aus Schlamm, Holz und anderem Pflanzenmaterial entstehen so Meisterwerke des Wasserbaus: Biberdämme können enorme Mengen an Wasser zurückhalten und helfen so gegen Dürre, schaffen Retentionsraum und bremsen Hochwasserwellen, filtern Schadstoffe und können Gewässer sogar kühlen. Die Wasserbau-Tätigkeiten von Bibern schaffen nicht nur langsam fließende bis stehende, tiefere Bereiche, sondern auch schneller fließende oder seichtere, zB neben oder unterhalb von Dämmen – manchmal leiten sie Bachläufe auch regelrecht um und nur Teile des Wassers in ihren Teich. Diese vielfältigen, kleinstrukturierten Areale rund um Biberdämme sind regelrechte Hotspots der Biodiversität und bieten Lebensraum für unzählige andere Lebewesen und Pflanzen. Insekten, Weichtiere, Amphibien, Reptilien, Vögel und Fische finden hier – nach langer Zeit der Begradigung, Verbauung und Tockenlegung von Gewässern durch Menschen – oft raren Lebensraum. Ebenso dienen Biberdämme Landtieren zB als Brücken oder es wurde sogar dokumentiert, dass Biber ihre Teiche beizeiten entleeren und wieder neu befüllen (zB bei Algenblüten).Neben den (durch eine Vielzahl an Studien belegten, aber auch bei jedem Besuch in einem intakten Biberrevier schnell ersichtlichen) äußerst positiven Effekten auf Biodiversiät, Dürre- und Hochwasserprävention spielen zum Beispiel im Westen der USA von Bibern geschaffene Feuchtgebiete auch eine Rolle bei der Eindämmung von Waldbränden. Dort nutzt auch die Landwirtschaft die Tätigkeiten von Bibern, insbesondere zur Dürreprävention.
Mit ihren Stautätigkeiten kommen sie allerdings oft wirtschaftlichen Interessen von Menschen in die Quere und in Österreich werden unzählige Biberdämme illegal zerstört – dies ist oft extrem kontraproduktiv und die sesshaften Tiere brauchen nur umso mehr Baumaterial für den Wiederaufbau. Zur Regulierung des Wasserstands können Rohre in Dämme eingebaut werden (sog. Flow Devices – mit Drahtkästen versehen, um ein Verstopfen des Abflusses zu verhindern) und angesichts von Klimakrise und immer mehr Extremwetterereignissen muss Gewässern und ihren Bewohner*innen wieder mehr Platz gegeben werden. Es braucht überall wieder mehr Wasserrückhalt und natürlichen Retentionsraum und bei den meisten Gewässern würde eine Pufferzone von 10 Metern schon unglaublich viel bewirken.
Ein illegal zerstörter Biberdamm und der nun sichtbare Eingang zu einer Höhle, sowie ein Biberdamm nach dem Einbau eines den Pegelstand regulierenden Rohres.
Biber sind der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie entsprechend streng geschützt, Burgen und auch ihre Dämme dürfen nicht zerstört oder beschädigt werden. Ausnahmeregelungen gibt es hierfür nur bei akuter Gefahr bzw. schweren Schäden an Infrastruktur und mittels Einzelfallprüfung durch die Naturschutzbehörden. Diese sind in Österreich in den Ländern und Bezirken angesiedelt, bei denen es Ansprechpartner*innen bei Konflikten gibt. Die Qualität des Bibermanagements ist von Bundesland zu Bundesland oder Bezirk zu Bezirk höchst unterschiedlich – abhängig von Ressourcen, politischer Einflussnahme und der Kompetenz von Einzelpersonen. Während andere Länder (oder auch die UN) Biber als Schlüsselspezies im Hinblick auf Artenschutz und Klimaanpassungsstrategien anerkennen, finden sich in Österreich auf Falschinformationen und Wissenschaftsfeindlichkeit (bzw. Populismus) basierend laute Stimmen von Lobbygruppen, die für eine Abschaffung des Schutzstatus plädieren. Während es international inzwischen viel und schon länger Forschung und jahrzehntelange Erfahrungen mit der Prävention von Konflikten gibt (von Eindrahtungen, Flow Devices bis zum Einbau eines Grabschutzes), werden diese umfassenden Erkenntnisse in Österreich oft ignoriert und den meisten Menschen fehlt Wissen und Bezug zu diesen seit 15 Millionen Jahren hier Landschaften prägenden Tieren – wie auch eine Vorstellung davon, wie natürliche Fließgewässer aussehen würden bzw. Millionen von Jahren ausgesehen und funktioniert haben. Dies spiegelt sich auch in einer überwältigenden Zahl an Medienberichten voller Falschinformationen, Mythen und Märchen wider.
Neben der illegalen Zerstörung ihrer Bauwerke und illegalen Tötungen haben manche Bundesländer auch Verordnungen erlassen, um den Schutzstatus zu umgehen (entgegen der FFH-Richtlinie ohne Einzelfallprüfungen oder der Anwendung gelinderer Mittel). Dabei wird oft von Überpopulation gesprochen, die aber nicht möglich ist – Biber regulieren ihren Bestand seit jeher selbst: Ihr Lebensraum ist sehr begrenzt (an Gewässer gebunden), sie sind territorial und sind alle Lebensräume besiedelt, geht die Reproduktionsrate zurück.
Potenzielle Fressfeinde für ausgewachsene Biber stellen lediglich Wölfe und Bären dar – aber auch in Gebieten, in denen diese verbreitet sind, haben sie keinen Einfluss auf die Gesamtpopulation an Bibern. Biberbabys können jedoch durchaus in Gefahr geraten, von großen Raubvögeln und -fischen oder Füchsen und freilaufenden Hunden getötet zu werden – letztere sind besonders im urbanen Raum wohl die gängigsten Kontrahenten. Eine der häufigsten Todesursachen in unseren Breiten stellen – wie auch bei vielen anderen Tieren – Verkehrsunfälle dar. Unzählige Beispiele aus einer Vielzahl an Ländern zeigen, dass mit anstatt gegen Biber zu arbeiten riesige (auch wirtschaftliche) Potenziale bietet und diese Schlüsselspezies einen großen Beitrag für Biodiversität, Dürre- und Hochwasserprävention, Wasserqualität und resilientere Gewässerökosysteme leisten kann. Hierfür braucht es in Österreich dringend breitflächiges Wissen, wissenschaftsbasiertere Politik wie auch mehr Ressourcen für Konfliktprävention, einheitliche Entschädigungen oder Flächenankäufe.